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Emotionales Essen: Essen aus tausend Gründen, nur um Hunger geht es nicht

Emotionales Essen erkennen und wieder loswerden durch Entwicklung alternativer Bewältigungsstrategien
Emotionales Essen - seine Probleme in sich reinfressen
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14 Minuten
Astrid Kurbjuweit
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Eigentlich haben wir ja eine gute Regelung: Wenn wir Hunger haben, wissen wir, dass wir essen sollten. Wenn wir genug gegessen haben, stellt sich das Gefühl des Sattseins ein. Wir können mit Essen aufhören.

Bei kleinen Kindern kann man beobachten, wie das funktioniert. Wenn sie Hunger haben, fordern sie mit Nachdruck Essen ein. Und sobald sie satt sind, verlieren sie jegliches Interesse am Essen.

Wenn wir das als Erwachsene auch so handhaben könnten, gäbe es kein Übergewicht. Leider setzt irgendwann zwischen Kindheit und Erwachsensein ein Lernprozess ein, bei dem es um ganz andere Dinge geht.

Und am Ende dieses Prozesses steht für ganz viele das Problem, dass sie nicht mehr mit Essen aufhören können, sobald Kummer, Sorgen, Stress, Trauer, und andere unangenehme Emotionen im Spiel sind.

Hier geht es darum, was da passiert, was emotionales Essen ist und wie man lernen kann, wieder mehr auf Hunger und Sattsein zu hören.

Was ist emotionales Essen?

Essen löst angenehme Gefühle aus. Das war in der Evolution notwendig, denn die Essensbeschaffung war anstrengend, gefährlich und nicht immer erfolgreich. Angenehme Gefühle beim und nach dem Essen waren und sind der Lohn der Mühe.

Wenn Essen keine angenehmen Gefühle auslösen würde, wären wir vermutlich längst ausgestorben.

Die Kehrseite ist, dass diese angenehmen Gefühle immer noch ausgelöst werden, obwohl die Essenbeschaffung heute für die meisten mühelos und jederzeit möglich ist.

Da unangenehme Gefühle, aus tausend Gründen, zum Leben dazu gehören, sind die angenehmen Gefühle, die das Essen zuverlässig auslöst, ein willkommener Ausgleich.

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Irgendwann zwischen früher Kindheit und Erwachsensein haben wir gelernt, dass Essen unangenehme Gefühle betäuben, verdecken und vielleicht sogar zum Verschwinden bringen kann.

Wenn man isst, um mit negativen Emotionen zurechtzukommen, dann handelt es sich um emotionales Essen. Alle negativen oder unangenehmen Emotionen können emotionales Essen auslösen, das Essen als Reaktion auf Stress ist wohl am weitesten verbreitet:

  • Angst
  • Trauer
  • Wut
  • Kummer
  • Sorgen
  • Ärger
  • Frust
  • Langeweile
  • Hilflosigkeit
  • Einsamkeit
  • Verzweiflung
  • Stress
  • und andere negative Empfindungen

Man fühlt sich besser, wenn man isst. Das ist keine Einbildung, das ist Tatsache. Hunger und Sattsein spielen bei diesem Prozess keine Rolle.

Es kommt auch vor, dass man bei positiven Emotionen isst, aber das wird selten zum Problem.

Kurzfristig funktioniert es tatsächlich: Man kann negative Emotionen durch die positiven Emotionen, die das Essen auslöst, kompensieren. Auf Dauer funktioniert es nicht. Auf Dauer hat man ein Problem.

Was ist das Problem bei emotionalem Essen?

Es ist in Ordnung, etwas zu tun, um sich besser zu fühlen. Essen, um unangenehme Gefühle loszuwerden, ist also zumindest im Prinzip auch in Ordnung.

Aber emotionales Essen löst keine Probleme. Man fühlt sich für einen Moment besser. Doch der Grund für die negativen Emotionen ist weiterhin vorhanden. Und das gute Gefühl geht schnell vorüber.

Und weil man sich schon wieder schlecht fühlt, muss man mehr oder weiter essen. Viele essen so lange weiter, bis es nicht mehr geht. Und fühlen sich direkt danach schon wieder schlecht, jetzt aus zwei Gründen.

Das Problem am emotionalen Essen ist, dass es Probleme nicht löst, sogar im Gegenteil dazu führen kann, dass man in einer passiven, hilflosen Lage verbleibt.

Daneben können die teils enormen Essensmengen, über die man in der Situation keine Kontrolle hat, natürlich dick machen.

Durch den Frust, den die Beobachtung des eigenen „Versagens“ auslöst, kann man schnell in einen Teufelskreis geraten und immer wieder gegen die unangenehmen Gefühle anessen, die genau dadurch dann wieder ausgelöst werden.

Wie kann man emotionales Essen überwinden?

Wenn man aus emotionalen Gründen isst, dann kann man das nicht einfach stoppen. Es lässt sich nicht mit Disziplin oder Willenskraft besiegen.

Wer aus emotionalen Gründen isst, ist nicht undiszipliniert, faul, dumm oder was auch immer. Wer aus emotionalen Gründen isst, tut das, weil er mal gelernt hat, dass das eine Möglichkeit ist, mit Gefühlen umzugehen. Es entsteht, oder entwickelt sich, weil es vordergründig erfolgreich ist.

Und weil man das gelernt hat, kann man es auch wieder verlernen, kann etwas Neues lernen. Das ist die zielführende Methode, um emotionales Essen zu überwinden.

Emotionales Essen als solches ist keine Essstörung und keine Krankheit, deshalb kann man es auch nicht heilen. Aber man kann lernen, dieses Verhalten zu ändern und durch anderes, besseres Verhalten zu ersetzen.

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Was hilft gegen emotionales Essen?

Erstmal ist wichtig, was nicht hilft. Diät und Abnehmen, strenge Selbstkasteiung, Selbstdisziplin und Ähnliches helfen nicht. Damit kann man vielleicht, und wirklich auch nur vielleicht, die Symptome bekämpfen.

Denn emotionales Essen macht auf Dauer dick. Aber das Dicksein ist nicht das eigentliche Problem, das ist nur ein Symptom.

Deshalb werden alle Abnehmversuche nicht wirklich erfolgreich sein. Und der Frust darüber, dass das nicht funktioniert, wird dann die nächsten emotionalen Essanfälle auslösen.

Man geht das Problem also besser da an, wo es hilft, an den Ursachen, nicht an den Symptomen.

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Negative Emotionen haben eine Funktion

Unangenehme Gefühle oder negative Emotionen, egal welche, haben einen Grund und eine Funktion. Sie sollen uns dazu bringen, etwas zu tun, damit sich etwas ändert.

Jede Emotion hat einen Grund, jede negative Emotion ist in gewisser Weise eine Aufforderung, etwas zu tun, um die unangenehme Situation zu beenden.

Es ist also ganz normal, wenn wir versuchen, positive Emotionen zu bekommen und negative Emotionen loszuwerden. Genau das ist der Grund, warum wir sie überhaupt haben. Wenn uns alles egal wäre, würden wir nie handeln.

Negative Emotionen in der heutigen Zeit

Unangenehme Gefühle waren schon immer dazu da, uns dazu zu bringen, etwas zu ändern. Angenehme Gefühle haben wir und unsere Vorfahren schon immer angestrebt. Essen löste früher genauso angenehme Gefühle aus wie heute.

Was ist heute anders?

Allerdings ist heute Essen für fast alle immer und überall verfügbar. Das angenehme Gefühl, zu essen, können wir jederzeit haben.

Während Essen früher schwierig zu beschaffen war, ist es heute ganz einfach. Meistens muss man nur den Kühlschrank aufmachen, da ist genug drin. Und falls nicht, ist der nächste Supermarkt nicht weit.

Heute ist es einfacher, die unangenehmen Gefühle durch Essen zu betäuben, statt hinzugehen und die Ursachen zu beseitigen.

Essen ist immer verfügbar, man muss die unangenehmen Gefühle nicht aushalten.

Wie kann man lernen, nicht mehr aus emotionalen Gründen zu essen?

Wie immer ist der erste Schritt, zu erkennen, dass etwas schief läuft.

Dann kann man lernen, unangenehme Gefühle besser auszuhalten. Durch Entspannung, Meditation und diverse Übungen wird es einem im Laufe der Zeit immer besser gelingen, die Emotionen zuzulassen.

Je besser man seine Emotionen zulassen kann, umso weniger muss man sie mit Essen überdecken oder betäuben.

Und man kann lernen, die Botschaft hinter den Emotionen zu sehen. Die Botschaft lautet meistens, dass hier etwas ist, was man ändern sollte. Was das genau ist, ist natürlich in jedem Fall anders.

Wenn man gelernt hat, seine Gefühle zuzulassen, dann kann man sie sich auch genauer betrachten und genau benennen, was es ist, das geändert werden sollte.

Und dann braucht es nur noch ein wenig Mut, um es tatsächlich zu ändern.

Es hat viel mit Übung zu tun. Aber ganz vieles von dem, was zu negativen Emotionen, zu schlechten Gefühlen führt, kann man ändern. Essen ändert nichts.

Was man nicht ändern kann, muss man irgendwie akzeptieren, oder aushalten. Aber auch das kann man lernen. Wenn man tut, was man tun kann, fällt es leichter, zu akzeptieren, dass man eben nicht alles tun kann.

Wenn man das gelernt hat, dann braucht man nicht mehr gegen seine Gefühle anessen.

Emotionales Essen zu überwinden hat nichts mit Essen, nichts mit Diät und Abnehmen zu tun.

Emotionales Essen loswerden: Der Weg ist das Ziel

Emotionales Essen ist nicht grundsätzlich schlecht. Essen soll Spaß machen, soll Genuss und angenehme Gefühle bereiten.

Zum Problem wird es erst, wenn man isst, statt seine Probleme zu lösen. Wenn man isst, obwohl man gar keinen Hunger hat. Wenn man nicht aufhören kann zu essen, obwohl man längst mehr als satt ist.

Wenn es gelegentlich mal passiert, dass man isst, statt zu handeln, ist das nicht schlimm. Perfektion ist also nicht das Ziel.

Emotionales Essen: ganz typisch abends auf dem Sofa

Emotionales Essen: ganz typisch abends auf dem Sofa
Foto: Roman Samborskyi/Shutterstock

Auch wenn man manchmal ein bisschen Zeit braucht, bis man sich aufgerafft hat, ist das nicht schlimm. Es kommt vor, dass man erst überlegen muss, was genau zu tun ist. Dann ist es besser, auch tatsächlich zu überlegen, statt blindlings loszurennen.

Aber in dieser Phase des noch-nicht-Handelns kann der Wunsch nach Essen nochmal ziemlich stark werden. Statt zu essen, hilft es mehr, sich abzulenken. Einmal vor die Tür gehen, einmal um den Block laufen, und das Bedürfnis zu essen ist oft schon wieder verschwunden.

Verschiedene Emotionen und angemessene Reaktionen

Wut kann man abreagieren, durch körperliche Aktivität. Rennen, ein Kissen an die Wand werfen, einen Boxsack bearbeiten, was auch immer. Das hilft besser als Essen. Und wenn die Wut verraucht ist, ist der Kopf frei für die Lösung des Problems.

Bei Trauer hilft Weinen. Wenn die Tränen versiegt sind, ist der Kopf frei, um das Problem lösen zu können, um einen Weg zu finden, mit dem Unabänderlichen umzugehen.

Für jede Emotion gibt es eine Art, damit umzugehen. Dabei gibt es kein richtig oder falsch. Man muss die für einen selbst richtige Art finden. Dann kann man sich immer seine Handlungsfähigkeit erhalten. Muss nicht aus Hilflosigkeit essen.

Körperliche Aktivität, Sport oder Bewegung helfen ganz oft. Wer zum Beispiel wandert, wird irgendwann später feststellen können, dass die ganze Wanderung völlig ohne emotionales Essen stattgefunden hat.

Das alles braucht Zeit, muss sich entwickeln. Man ist ein Leben lang unterwegs. Wenn einem zwischendurch mal alles zu viel ist und man sich erstmal ein gutes Essen gönnt, ist das in Ordnung. Nur dabei belassen sollte man es nicht.

Stress-Essen ist auch emotionales Essen

Die Beobachtung, dass man bei Stress mehr isst, als man sollte und wollte, dass man in der Situation auch noch vor allem kalorienreiche und nährstoffarme Nahrungsmittel bevorzugt, die haben schon viele gemacht.

Haben sich vorgenommen, das beim nächsten Mal anders, besser zu machen und sind doch wieder in die gleiche Falle getappt. Was zusätzlich auch noch zu schlechtem Gewissen geführt hat.

Unter Stress ist es besonders schwer, vernünftig zu essen. Der Grund dafür sind die Emotionen, die das Essen auslöst und die Emotionen, die das Essen beendet.

Stress ist unangenehm, Essen ist angenehm. Stress lässt sich also leichter ertragen, wenn man essen kann. Hinzu kommt, dass Stress den Energiebedarf des Gehirns erhöht. In der Folge isst man bevorzugt kohlenhydratreiche, also süße und fettige Nahrungsmittel.

Was dann schnell neuen Stress und andere unangenehme Emotionen wie schlechtes Gewissen auslöst. Stress macht dick, das lässt sich kaum leugnen.

Die Frage, wie man mit dem Stress umgehen soll, um eben nicht dick zu werden, ist deshalb wichtiger als die Frage nach der besten Diät.

Stressessen lässt sich genau wie alle anderen Formen des emotionalen Essens nicht durch Diät oder Disziplin verhindern, man muss neue Verhaltensweisen lernen, man muss lernen, wie man mit dem Stress anders umgehen kann, wie man ihn reduzieren kann. Jeder kann das lernen.

Fang einfach damit an, dich selbst zu beobachten. Das ist der erste Schritt. Aus dem, was dir auffällt, folgt oft ganz automatisch ein Weg zur Lösung. Geh diesen Weg, probier ihn aus. Wenn er zu dir passt, ist es gut.

Wenn er nicht passt, geh zurück zu Schritt eins.

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Beitragsbild: Dragana Gordic/Shutterstock