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Die Lust auf Süßes – ist das Zuckersucht?

Zuckersucht wird immer dann angenommen, wenn man bei den süßen Versuchungen nicht widerstehen kann. Es ist keine echte Sucht. Ein Problem ist es trotzdem. Was man tun kann.
Die Lust auf Süßes - es ist so schwer, zu widerstehen
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11 Minuten
Astrid Kurbjuweit
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Süßes schmeckt gut, darin sind sich fast alle einig. Süßes ist für viele ein Stück Lebensqualität. Aber auf der anderen Seite haben auch viele das Problem, dass sie nicht so richtig steuern können, wie viel Süßes sie essen.

Wenn man mal angefangen hat, ist die Packung schnell leer. Ein Stück Schokolade zu essen, ist fast unmöglich, die Packung muss es sein. Es ist wie ein Zwang. Und schon ist da dieses Wort von der Zuckersucht.

Zu glauben, man wäre süchtig, verändert das Problem. Sucht ist eine Krankheit, Sucht ist, wenn man selbst nichts dafür kann, wie viel man konsumiert vom Suchtstoff.

Tatsächlich hat die Zuckersucht Gemeinsamkeiten mit Alkoholsucht, Drogensucht und ähnlichen Süchten. Aber es gibt auch Unterschiede. Hier geht es darum, was das übermächtige Verlangen nach Süßem nun genau ist und wie man lernen kann, es wieder zu steuern.

Denn anders als bei echten Süchten kann man sich bei der Zuckersucht selbst behandeln. Man kann es wieder los werden.

Warum mögen wir überhaupt Süßes so gerne?

Den größten Teil der Menschheitsgeschichte wusste niemand, was Kalorien sind, oder welche Nährstoffe ein Mensch braucht. Essen war knapp, der Aufwand, an Essen zu kommen, war hoch. Um die Mühe auf sich zu nehmen, brauchte es Belohnungen.

Der wunderbare, süße Geschmack ist so eine Belohnung. Das ist besser als einfach nur satt sein. Dafür nimmt man Mühe und Gefahren auf sich.

Unsere Vorfahren haben für den wunderbaren süßen Geschmack Bienenstöcke geplündert. Das war nicht risikolos und oft gab es solche Gelegenheiten sowieso nicht.

Eine Wabe aus einem Bienenstock, Honig und Bienen.

Eine Wabe aus einem Bienenstock. Wenn das Süße, der Honig, so präsentiert wird, ist die Zuckersucht ganz weit weg.
Foto: ABCDStock/Shutterstock

Die Natur hat es so eingerichtet, dass wir immer noch nach den Dingen streben, die den größten Teil der Menschheitsgeschichte über gut für uns waren.

Heute ist das nicht mehr gut für uns, aber wir funktionieren eben noch genauso wie unsere Vorfahren.

Der süße Geschmack zeigt Zucker an, also Kohlenhydrate. Kohlenhydrate sind Energie, also gut fürs Überleben. Menschen sind Allesfresser, Omnivoren. Wir brauchen Kohlenhydrate für unsere Energiegewinnung.

Für die Low-Carb-Anhänger, die jetzt Protest schreien: Doch, im längsten Teil der Menschheitsgeschichte war es schlicht unmöglich, ohne Kohlenhydrate zu überleben. Und auch heute noch ist das eine Luxus-Lebensform, die nur im satten Überfluss möglich ist.

Dass das Süße so enorm verlockend ist, ist also seit Ewigkeiten im Menschen festgelegt. Heute ist nur anders, dass es keine Mühe mehr kostet, an das Süße dranzukommen.

Der süße Geschmack und die Lebensmittelindustrie

Süßes schmeckt uns also schon immer besonders gut. Das wissen auch die, die unsere Lebensmittel herstellen und uns möglichst viel davon verkaufen möchten.

Und da ist noch etwas. Fett schmeckt uns auch besonders gut. In der Evolution waren Lebensmittel allerdings fast immer entweder süß oder fettig.

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Wie unwiderstehlich die Mischung aus beiden ist, wissen Menschen aber schon lange. Seit sie kochen und backen, also auch beides miteinander vermischen.

Aber erst die Lebensmittelindustrie hat die Mischung perfektioniert. Hat genau untersucht, wie das Verhältnis von Zucker und Fett sein muss, um maximales Verlangen auszulösen. Hat immer neue Wege gefunden, um Zucker in allen möglichen Lebensmitteln unterzubringen, auch solchen, die gar nicht süß sein sollen.

Warum? Zum einen ist Zucker billig. Je mehr Zucker im Essen, umso billiger die Herstellung. Und dann löst Zucker auch noch diese „Zuckersucht“ aus. Menschen wollen mehr von dem, was Zucker enthält. Auch dann, wenn sie nicht wissen, dass da Zucker drin ist.

Das ist schlecht für uns und gut für die Lebensmittelindustrie.

Das ist ein Teil der Erklärung für die verbreitete Zuckersucht. Wir essen zu viel Zucker, gar nicht unbedingt, weil wir das so wollen, sondern weil er einfach überall drin ist.

Die Gier nach Süßem

Zucker wirkt auf das Wohlbefinden. Durch Zucker (und andere kurzkettige Kohlenhydrate) steigt der Insulinspiegel im Blut an, dadurch wird auf dem Umweg über das Tryptophan und das Serotonin das Belohnungszentrum im Gehirn stimuliert.

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Man fühlt sich sofort besser. Da dieses Wohlgefühl nur kurzzeitig anhält, entsteht schnell das Bedürfnis, schon wieder etwas Süßes zu essen, die „Zuckersucht“ macht sich bemerkbar.

Wer davon betroffen ist, kommt recht schnell dahin, immer wieder gierig große Mengen Süßigkeiten in sich hineinzuschaufeln. Süßes löst Heißhunger und Fressattacken aus.

Das Ganze wird von dem Gefühl begleitet, dieses Verhalten nicht wirklich kontrollieren zu können. Viele haben das Gefühl, geradezu abhängig vom Zucker zu sein, ein Zuckerjunkie zu sein.

Vor allem, wenn es einem nicht so gut geht, wenn Einsamkeit, Frust, Ärger, Sorgen, Stress oder ähnliches auf die Stimmung drücken, dann wird die Gier nach Süßem schnell unerträglich.

Unangenehme Gefühle lassen sich tatsächlich kurzzeitig durch Süßes in den Hintergrund schieben. Übergewicht ist ein häufiger Grund für schlechte Gefühle, sodass tatsächlich das Übergewicht indirekt den Zuckerkonsum auslösen kann.

Essen aus emotionalen Gründen ist ganz oft Essen von Kalorienreichem, von Süßem, von Fettem.  Die Ähnlichkeit zur Zuckersucht ist unübersehbar.

Zuckersucht hat wenig mit Genuss zu tun, mehr mit Gier und großen Mengen: riesige Tafel Schokokolade

Zuckersucht ist die Gier nach mehr, nicht nach mehr Genuss, sondern nach mehr Zucker (und Fett).
Foto: Nick Starichenko/Shutterstock

Dadurch wird es natürlich nicht besser, der Teufelskreis ist im Gegenteil offensichtlich.

Zucker und der Blutzuckerspiegel

Dass Zucker so gut als Belohnung wirkt, hängt damit zusammen, dass er so schnell ins Blut übergeht. Kaum hat man ihn gegessen, steigt der Blutzuckerspiegel auch schon rasant an. Das fühlt sich richtig gut an.

Allerdings folgt auf einen solchen rasanten Anstieg auch ein ebenso rasanter Abfall. Und ein schnell absinkender Blutzuckerspiegel signalisiert ganz eindeutig Hunger. Es ist ein Teufelskreis.

Für diese Situation hat die Lebensmittelindustrie den kleinen Hunger zwischendurch erfunden. Der natürlich mit zuckerhaltigen Produkten bekämpft werden muss. Riegel und Snacks gibt es an jeder Ecke, in kleinen Packungen mit riesigen Gewinnspannen.

Für die, die was anderes wollen, gibt es auch noch Eis, Bäckereien, Coffee-to-go und immer wieder neue Trends, denen der Zucker gemeinsam ist.

Diese Achterbahnfahrt des Blutzuckerspiegels macht dick. Und auch für diese Situation hat die Lebensmittelindustrie eine Lösung. Diätprodukte der unterschiedlichsten Arten, die eine Gemeinsamkeit haben: sie enthalten Zucker.

Die Zuckersucht ist ein Geschäftsmodell

Aus dem bisher gesagten wird klar, dass man in die Zuckersucht geraten kann, ohne es zu wollen. Die großen Konzerne der Lebensmittelindustrie haben ein Interesse daran. Unsere Gesundheit ist denen egal.

Der erste und wichtigste Schritt raus aus der Zuckersucht ist also, denen kein Geld mehr zu geben, die Industrieprodukte nicht mehr zu kaufen, nicht mehr zu essen.

Im Zustand der Sucht ist das zuerst mal schwierig. Aber wenn man den Zusammenhang verstanden hat, ist es möglich, das zu überwinden.

Wie schafft man das am besten?

Wege aus der Zuckersucht

Die Zuckersucht ist ein Teufelskreis aus schnell steigendem und ebenso schnell absinkendem Blutzuckerspiegel. Aber sie ist auch eine Gewohnheit.

Die Gewohnheit, bestimmte Produkte zu kaufen und zu essen, die die Zuckersucht aufrecht erhalten, kann man ändern.

Die Gewohnheit, gegen Stress, Ärger, Kummer und andere Gefühle zu essen, kann man auch ändern.

 Wege aus dem Teufelskreis

Zucker wirkt als Belohnung. Aber andere Kohlenhydrate wirken ebenfalls als Belohnung. Man kann der Zuckersucht also viel von ihrer Schärfe nehmen, wenn man satt Süßigkeiten Vollkornprodukte, Gemüse, Hülsenfrüchte oder auch Obst isst.

Eine ballaststoffreiche Ernährung reguliert den Blutzuckerspiegel.

Die Wirkung dieser natürlichen Produkte tritt nicht ganz so schnell ein, aber sie hält länger an, sodass der Teufelskreis, in immer kürzeren Abständen schon wieder etwas in den Mund schieben zu müssen, schon mal unterbrochen wird.

Nicht nur Zucker und andere Kohlenhydrate wirken belohnend. Auch alle anderen Dinge, die man gerne tut, haben diese Wirkung.

Jede angenehme Beschäftigung, jedes Hobby, jede Freude im Leben führt zur Stimulierung des Belohnungszentrums im Gehirn.

Es müssen also gar nicht Süßigkeiten sein, ein schönes Leben hat die gleiche Wirkung. Ein schönes Leben kann man sich erarbeiten, es sind die kleinen Dinge, die den Unterschied machen.

Seit der Feststellung, dass manche depressiven Erkrankungen nur im Winter auftreten (SAD, seasonal affective disorder, Winterdepression), weiß man, dass auch Licht auf das Belohnungszentrum wirkt.

Es hilft also gegen die Lust auf Süßes, wenn man öfter mal aus dem Haus geht.

Und schließlich sollte man die Wirkung der Bewegung nicht vergessen. Bewegung ist der gute-Laune-Lieferant schlechthin.

Die meisten kennen die Wirkung, dass sie nach dem Sport gar keine Lust auf Süßes mehr haben. Das kann man sich zunutze machen. Es muss auch nicht immer schweißtreibender Sport sein, ein Spaziergang an der frischen Luft hat die gleiche Wirkung.

Man kann also lernen, sich etwas Gutes zu tun, etwas Gesundes zu essen, sich an der frischen Luft, im Licht zu bewegen.

Dadurch wird die Gier nach Süßem immer seltener auftreten, immer weniger ausgeprägt sein. Ein paar süße Sachen darf man sich gönnen, aber man sollte sie genießen, nicht verschlingen.

Gut ist, wenn man Süßes, und am besten auch möglichst viel von dem, was man isst, selbst herstellt. Dadurch vermeidet man den versteckten Zucker, den uns die Industrie überall unterjubelt. Und man vermeidet die perfekt austarierten Zucker-Fett-Mischungen, die die Zuckersucht befeuern.

Je weniger Industrieprodukte, egal ob süß oder nicht, man isst, umso leichter wird es, die Zuckersucht hinter sich zu lassen.

Eine Ernährung mit ausreichend Kohlenhydraten erleichtert die Sache, Abnehmen wird möglich. Die meisten können feststellen, dass es gar keine Sucht war, sondern nur eine schlechte Gewohnheit.

Den süßen Geschmack abgewöhnen

Dass wir Süßes gerne mögen, ist wohl fest in uns verankert. Aber wie süß soll es denn sein?

Die meisten industriell hergestellten Süßigkeiten sind extrem süß. Wem das nicht bewusst ist, kann lernen, es sich bewusst zu machen.

Man kann lernen, weniger süß als angenehmer zu empfinden. Weniger süß bedeutet auch, dass andere Geschmackskomponenten besser wahrgenommen werden.

Das macht, dass aus einem ehemals zuckersüchtigem Gier-Esser ein Gourmet, ein Feinschmecker werden kann.

Damit man das lernen kann, muss man seine Süßigkeiten selbst herstellen.

Egal, ob man Kaffee mit Zucker trinkt oder Kuchen backt, das Prinzip des weniger-Süß lässt sich überall anwenden.

Zuerst nimmt man so viel Zucker wie bisher, oder wie im Rezept angegeben. Dabei achtet man darauf, wie viel es ist.

Beim nächsten Mal nimmt man etwas weniger Zucker. So, dass es trotzdem noch angenehm schmeckt. Wenn der Unterschied in der Zuckermenge nur klein ist, wird man ihn nicht schmecken.

Jedes Mal, wenn man sich einen Kaffee macht, kann man etwas weniger Zucker nehmen. Immer so, dass der Geschmack noch angenehm ist. Nach und nach wird man mit weniger Zucker auskommen.

Die industriell hergestellten Süßigkeiten werden einem nach einiger Zeit unangenehm süß vorkommen. Das Bedürfnis, mehr davon zu essen, verschwindet auf diese Weise.

Und macht Platz für Genuss, für hochwertige Lebensmittel, die nicht nur einfach süß sind, sondern eine Vielzahl an unterschiedlichen Aromen erleben lassen.

Wer lernt zu genießen, kann die Zuckersucht endgültig hinter sich lassen. Genuss und Sucht passen nicht zusammen. Vollständiger Verzicht auf Süßes ist nicht notwendig.

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Beitragsbild: Sam Wordley/Shutterstock